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Burnout-Syndrom Teil II: Handelt es sich um eine Krankheit?

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Straße, auf der Burnout steht
© Markus Mainka - Fotolia.com

Burnout: Unklare Ursachen

Handelt es sich beim "Burnout-Syndrom" um eine Krankheit? Eine Antwort auf diese Frage und ein Beispiel des Phänomens aus der Praxis lesen Sie hier.

Von: Berthold Musselmann

Erfahrungen aus der Praxis

Nach dem Exkurs im ersten Teil über die Sichtweise der etablierten Medizin und ersten Hinweisen zur Abhilfe, z. B. durch Ordnungstherapie nun eine Sichtweise, die aus der Erfahrung von 17 Jahren hausärztlich-konventioneller und naturheilkundlicher Praxis und aus dem Literaturstudium unzähliger Artikel und vieler Bücher entstand.

Eine Krankheit: ja oder nein?

Das sog. "Burnout-Syndrom" ist meiner Auffassung nach keine Krankheit, da

  • sehr verschiedene Vorgeschichten zu den Symptomen führen, die unter dem Begriff „Burnout“ subsummiert werden
  • die Kombinationen von Symptomen und beteiligten Faktoren sehr variabel sind
  • keine eindeutig definierten und belegten Ursachen bzw. Behandlungen vorliegen

Wie ich im Teil I mit den Hinweisen auf die Leitlinien beschreibe, kann hinter Müdigkeit eine Krankheit stecken kann, wenn die Müdigkeit über das gewohnte Maß hinausgeht und wenn eine (Haupt-) Ursache gefunden werden kann, die Krankheitswert hat. Desweiteren bin ich der Meinung, dass meist eine individuelle Abklärung bei einer/m gründlich arbeitenden Therapeut/in nötig ist, um die eigenen Bedingungen zu erfassen, die nachhaltig Müdigkeit verursachten und Wege raus aus der Sackgasse.

Ein Beispiel aus dem Herbst 2007:

Der erfolgverwöhnte 33-jährige Manager M.M. erleidet Ende 2006 zum ersten Mal in seinem Leben einen „Anfall“, der in eine Art Panikattacke mündet. Mitten beim Essen wird ihm übel, schwindlig, er verspürt Herzrasen und heftige Angst. Zwei Wochen zuvor hatte er eine FSME-Impfung (gegen das gleichnamige Virus, Erreger der Zecken-übertragenen Hirnentzündung). Sein Körper hat ihn noch nie im Stich gelassen, seine Kondition war immer weit überdurchschnittlich, seine Arbeitsleistung und sein Arbeitspensum ebenso. Er entwickelt eine für ihn unerklärliche anhaltende und die Lebensqualität erheblich dauerhaft beeinträchtigende Müdigkeit mit nackenbetonten Kopfschmerzen und Anfällen von Herzrasen und Übelkeit, zudem alle paar Tage teilweise für Tage anhaltende Einbrüche in seiner körperlichen Kondition. 

Nach einem Jahr Irrfahrt durch mehrere Praxen von Koryphäen auf ihrem Fach sucht er im Herbst 2007 die Praxis eines Allgemeinmediziners auf, der sich außergewöhnlich viel Zeit für die komplizierte Krankengeschichte und für die vielen Befunde von Fachärzten dieses intellektuell anspruchsvollen, hoch motivierten und differenzierten Patienten nimmt. Nach abschließenden gründlichen körperlichen Untersuchungen, Labortests und vielen Gesprächen lässt sich herausarbeiten, dass der Patient ein konstitutionell schwaches Verdauungssystem mit leichter Unterfunktion der Bauchspeicheldrüse hat. Einige Familienmitglieder sind von ähnlichen Problemen geplagt. Hauptursache seiner anhaltenden Müdigkeit sind ein eingeschränktes Repertoire, mit Belastungen umzugehen („bei Schwäche die Anstrengungen verdoppeln“), ein extrem hoher Leistungsanspruch und die nicht ausreichende Achtsamkeit für die Grenzen des eigenen Körpers und der Psyche. Vermutlich mit auslösend, aber nicht entscheidende Faktoren waren die FSME-Impfung, eine akute Magen-Darm-Verstimmung und besonders eine außergewöhnlich belastende Phase seiner Projektarbeit.

Oft ist die Ursache nicht zu finden

Solche Geschichten von Zusammenbrüchen des vegetativen Nervensystems und anderer Körpersysteme bei Menschen erleben viele Hausärzte und auch Fachärzte, so auch ich in meiner Praxis, jede Woche. Die Menschen irren oft von Praxis zu Praxis, von Wundertherapie zu Wundertherapie. Sie erhalten die Diagnosen bzw. Etiketten „Erschöpfungssyndrom“, „Anpassungsstörung“, „Posttraumatische Belastungsstörung“, „Somatisierungsstörung“, „Somatoforme Störung“ und was es in der Diagnoselyrik in der schulmedizinischen Landschaft noch so gibt.

Auch die Komplementärmedizin ist da nicht weiter: Die Spanne reicht von „Chronisch aktiver EBV-Infekt“ (EBV = Epstein-Barr-Virus) über „Chronische Candida-Infektion“, „Darmdysbiose“, „Amalgamvergiftung“, „Übersäuerung“, „Verschlackung“, „Störfelder“, „Herde“ bis zu zum Teil absurden neu geschaffenen Krankheiten, meist „diagnostiziert“ mit zweifelhaften, nicht validierten Methoden. Für diese „Diagnosen“ stehen dann überraschenderweise Lösungen in verschiedener Form in der Regel parat, meist nicht ganz billig, die oft auffallend viele Besuche in den Praxen nötig machen. Teilweise können solche Versuchstherapien durchaus lindern, oft ist hierbei aber vor allem die Zuwendung, die Zeit, das Ernstnehmen etc. am wichtigsten für die Wirkung.

Diese sog. Plazebo-Wirkung muss nicht unbedingt negativ betrachtet werden, besser als eine Nichtwirkung durch massiv eingreifende Therapien, wie häufiger in der Schulmedizin der Fall. Dennoch bleibt eine gewisse Täuschung der Patienten über die wahren Zusammenhänge bestehen. Nichtwissen kann dabei aber auch manchmal Gnade sein und: Oft wissen wir Ärzte auch nicht so genau, was eigentlich die Symptome auslöst.

Nach meiner Erfahrung liegt die Lösung häufig weder im Feld klassischer Schulmedizin, die bei diesen Patienten meist Psychotherapie oder Psychopharmaka einsetzt oder lapidar mitteilt, dass keine Erkrankung vorliege und man nichts mehr unternehmen könne, noch allein im naturheilkundlichen Ansatz, der so oft Pseudoerklärungen anbietet, zweifelhafte Diagnosen vorschlägt und damit die Patienten in ihren Problemen ebenso weiter verharren lässt.

Mehr zum Thema Integrative Medizin und Burnout-Behandlung im III. Teil.

Ihr

Berthold Musselmann

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